Macht Laufen glücklich?
Diese Frage kann ich leicht beantworten: ein klares Jein. Ich bin einfach nicht so der Joggingfreund, habe auf der anderen Seite in den letzten zwei Tagen und Nächten aber auch viel Positives erlebt.
Als mich vor zwei Wochen Sohn 2 fragte, ob wir nicht gemeinsam die 4x4x48 Challenge von David Goggins (seine Ähnlichkeit mit mir ist wirklich verblüffend 😉, www.gogginschallenge.com) mitmachen wollen, habe ich kurz überlegt und dann spontan zugesagt, ist doch in diesen emotional eher düsteren Zeiten mal ein herausfordernder Lichtblick.
4x4x48 bedeutet, 48 Stunden lang alle 4 Stunden jeweils 4 Meilen zu laufen, also ca. 6,4km. Diese Idee fand ich grundsätzlich mal interessant.
Da ich allerdings seit meiner Meniskus-OP direkt vor dem ersten Lockdown (da war noch eine Treckerdemo in der Hamburger Innenstadt das große Thema) keinen Meter mehr gejoggt bin und ich mir dann ja auch noch beim Renovieren ´ne ganze Menge am Außenknöchel kaputt gemacht habe, wollte ich aber zuerst testen, ob ich denn überhaupt lauffähig bin. Ich bin dann sehr entspannt mal 7km gelaufen und durfte feststellen, dass meine Fitness unterirdisch ist, wohingegen der folgende Muskelkater sehr respektabel ausfiel. Aber immerhin haben meine Knochen gehalten. Das habe ich dann noch zwei weitere Mal getestet und es wurde immer ein bisschen besser. Sohn 2 verlegte die Challenge für uns dann noch kurzerhand eine Woche vor, so dass es bei diesen drei Trainingseinheiten bleiben sollte.
Mir war schon klar, dass meine Vorbereitung, wenn man sie denn überhaupt so nennen darf, suboptimal war, aber das ließ sich ja nun nicht mehr ändern. Wir haben besprochen, dass ich, wenn ich nicht mehr kann, dann eben wandern würde. Diesen Zeitpunkt wollte ich aber soweit wie möglich nach hinten schieben.
Am 26. Februar ging es dann los. Pünktlich um 16 Uhr starteten wir unseren ersten Lauf. Wie zu erwarten war das relativ easy. Auch die Läufe 2 und 3 (um 20 bzw. 24 Uhr) waren noch entspannt. Das erste Mal wirklich unangenehm wurde es, als der Wecker um 03.45 Uhr klingelte. Der konnte unmöglich mich meinen. Schön bei 3 Grad und leichtem Nieselregen ziemlich übermüdet war das wirklich hässlich. Warum machen wir den Mist eigentlich, haben wir uns gefragt. Aber wir haben uns ein Ziel gesetzt und wie es bei den vier Glücksprinzipien so schön heißt: Glückspilze geben spät oder nie auf. In diesem Fall also auf gar keinen Fall bei Durchgang 4.
Eine Dreiviertelstunde später wieder ab in Bettchen. Nur wie soll man schlafen, wenn man grad Sport gemacht hat? Und um 07.45 Uhr gings dann ja schon wieder weiter. Müde, aber körperlich noch einigermaßen intakt. Nach dem Durchgang dann erstmal entspannt frühstücken, schön duschen, mit dem Hund ne Runde drehen und weiter geht´s.
Nachdem wir die ersten 24 Stunden geschafft hatten, ging es leider körperlich kontinuierlich bergab mit uns. Sohn 2 trägt ein Whoop-Armband, so einen ziemlich ausgefuchsten Fitnesstracker, der anzeigt, wie gut man sich erholt hat. Dieser Wert geht von 1 bis 100 und er war bei 1, also genau gar nicht erholt und so fühlten wir uns auch.
Die Wehwehchen wurden immer mehr und stärker. Bei Sohn 2 war es überwiegend die Wade, bei mir mehr der rechte Fuß und die Achillessehnen, aber immerhin waren beide operierten Knie noch ziemlich gut in Schuss. So ging es auch weiter bis zum Schluss. Wir schleppten uns immer mehr Richtung Sonntag und wurden aufgrund der körperlichen Einschränkungen immer ein bisschen langsamer. Die zweite Nacht war dann auch ziemlich heftig, aber der anbrechende Sonntag hat uns wieder Kraft und Mut gegeben, denn sind wir jeden Durchgang gejoggt, wenn auch immer etwas langsamer. Aus der Ferne hat uns mein Freund Andi, der allerdings im Vergleich zu uns eine Maschine ist, immer wieder Mut gemacht, denn er hat den „Spaß“ zeitgleich mit uns in Niedersachsen gemacht. Auch da hat sich wieder etwas gezeigt. Freundschaften helfen, gerade in harten Zeiten. Das baut schon auf und hilft.
Der vorletzte Durchgang morgens um 8 war dann gefühlt der härteste überhaupt, weil körperlich gar nichts mehr ging. Alles tat weh. Wir wurden von Rentnerpärchen überholt, die dann noch mit einem Lächeln sagten „sieht irgendwie nicht so rund bei euch aus“. Die Wahrheit tut manchmal weh. Dieses Mal im wahrsten Sinne des Wortes.
Am Sonntag um 12 Uhr stieg dann der große Showdown. Wir waren im doppelten Sinne am Ende. Da wunderte es mich dann, als Sohn 2 beim Start wie von der Tarantel gestochen loslief, während ich erstmal meine Gräten sortieren musste. Er hatte sich offensichtlich mental so gut eingestellt, dass er jetzt am Ende bereit war, noch einmal alles zu geben. So war der letzte Durchgang dann auch unsere drittschnellste Zeit. Als wir wieder Zuhause ankamen, kannte die Freude keine Grenzen.
Und was hat das Ganze jetzt mit Glück zu tun und was ziehe ich daraus? Im Großen und Ganzen drei Dinge:
Wenn man sich (einigermaßen realistische) Ziele setzt und dann viel dafür gibt, um sie zu erreichen, macht das auf jeden Fall glücklich und in diesem Fall auch ein bisschen stolz. In der Rückbetrachtung fühlt sich das trotz der Strapazen einfach gut an. Ich konnte meinem Sohn, der körperlich natürlich auf einem ganz anderen Level als ich unterwegs ist, zeigen, dass ich zwar im Vergleich ein alter Sack bin, aber trotzdem immer noch bereit bin für ein Ziel zu kämpfen. Auch das ist ja eine schöne Lehre für das richtige Leben.
Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Abenteuer gemeinsam mit meinem Sohn bestehen durfte. Das ist eine starke Erinnerung, die uns dauerhaft verbinden wird und an die wir dankbar zurückdenken können und werden. Leider hat mein Vater mit mir nie solche Sachen machen können. Klar waren das damals auch andere Zeiten, aber ich würde auch gern mal in Erinnerungen schwelgen und meinen Kindern erzählen, was ich mit ihrem Opa zusammen durchgestanden habe. Aber diese Erinnerungen gibt es leider nicht. Umso schöner, dass ich jetzt wieder welche mit meinem “Kleinen” geschaffen habe.
Wie heißt es so schön: „There is no shortcut for the extra mile“. Wenn du besondere Dinge erreichen willst, musst du eben mehr dafür tun. Im Leben, im Sport, in der Partnerschaft oder wo auch immer. So ein Lauf, bei dem vermutlich die meisten von uns an ihre Grenzen kommen, führt einem das sehr deutlich vor Augen.
Um die Ausgangsfrage nun etwas detaillierter zu beantworten kann ich sagen, es gibt sicherlich viele Dinge, die mich glücklicher machen als das Laufen: Golf spielen, wandern, meine Familie etc.. Aber die Erfahrungen, die ich gemeinsam mit meinem Sohn gesammelt habe und die Anwendbarkeit auf den großen Rest unseres Lebens, die machen bestimmt dauerhaft ein bisschen glücklicher.
In diesem Sinne: viel Erfolg bei euren Vorhaben und bleibt gesund.