Was lernen wir aus der Krise?
Ich habe zehn (nicht repräsentative) Menschen in meinem Umfeld gefragt, was sie denn aus der Coronakrise für die Zukunft mitnehmen. Was sollten wir weiterhin so machen wie in der Krise, und was hat uns durch die Einschränkungen besonders gefehlt.
Die Ergebnisse sind vielfältig und schön, aber seht selbst:
A. (Kindergärtnerin, 51): Ich finde es großartig wie aufmerksam und hilfsbereit die Menschen sind. Fehlen tut mir der direkte Kontakt zu meinen Freunden.
J. (Anwalt, 53): Für mich hat sich eigentlich nicht viel verändert. Ich gehe morgens ins Büro, wo ich isoliert sitze und komme abends wieder heim. Was mir fehlt sind die Umarmungen mit Freunden und Familie.
S. und P. (Student und Schüler, 17 / 20): Schön ist es, dass wir weniger Pflichttermine haben. Sehr unschön ist, dass die Golfplätze auf unbestimmte Zeit geschlossen sind und wir damit unserem liebsten Hobby nicht mehr nachgehen können.
K. (Hausfrau und Mutter, 45): Ich kann der Krise eigentlich nichts Positives abgewinnen. Die jetzt von einigen vorgelebte Solidarität und Hilfsbereitschaft hat man vorher hoffentlich auch schon gelebt, insofern ergeben sich daraus keine positiven Änderungen für mich. Ich habe neulich gelesen „Wer die letzten 20 Jahre nie das Treppenhaus sauber gemacht hat, braucht damit jetzt auch nicht anzufangen.“ Das fand ich sehr passend. Was mich besonders stört ist, die stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit und das keiner weiß, wie das Jahr endet. Und ich befürchte, dass das „social distancing“ auch nach der Krise bleibt, weil alle Angst haben. Das wäre sehr unschön.
C. (Steuerberaterin, 45).: Es gibt einige Dinge, die ich überraschend positiv erlebe. Ich finde, viele Menschen sind trotz der Krise und den damit zusammenhängenden Einschränkungen sehr positiv, auch im Geschäftsleben. Viele gehen kreativ mit den Herausforderungen um und entwickeln tolle neue Ideen. Außerdem machen unsere Politiker einen für mich derzeit einen guten Job, was ich vorher nicht vermutet hätte. Und es freut mich, dass wir in einem Land leben dürfen, dass offensichtlich trotz einiger Schwächen über ein herausragend gutes Gesundheitssystem verfügt. Da möchte man eigentlich gar nicht mehr weg in den Urlaub. Was ich sehr schade finde ist, dass man nicht mehr einfach in eine Kneipe oder Restaurant gehen kann und mit seinem Mann oder Freunden einfach ein entspanntes Glas Wein trinken kann. Darauf freue ich mich schon. Als besondere Herausforderung sehe ich derzeit das doppelte Homeoffice, das wir bisher noch ohne Scheidungsanwalt hinbekommen. Ich hoffe, das bleibt auch so.
J. (Hausfrau und Mutter, 45 J.): Ich finde es schön, dass wir uns mal die Hausarbeit teilen, weil alle da sind und Zeit haben. Besonders fehlen tut mir der Kontakt zu meiner demenzkranken Mutter, die ich nun schon seit Wochen nicht besuchen darf.
M. (Rentner, 80): Ich sehe die Krise eher positiv. Sie hat viele von uns zu den Wurzeln des Lebens zurückgeführt. Eingeschränkt fühle ich mich, selbst als Teil der Hochrisikogruppe, kaum. Ich habe doch alles, was ich brauche. Zu Essen und Trinken, ein Bett, ein Dach über dem Kopf und meine Frau. Es ist schade, dass ich nicht mehr so einfach einkaufen kann, aber das ist ja nicht schlimm. Wirklich fehlen tun mir im Moment nur die menschlichen Beziehungen und das ich meine Kinder nicht sehen kann, aber das geht ja wieder vorbei.
A. (Filmproduzent, 55): Ich genieße die Entschleunigung. Deutlich weniger E-Mails, weniger Telefonate, die Natur erholt sich und ich habe viel mehr Zeit für und mit meiner Familie. Wirklich hart trifft mich eigentlich nur die Schließung meines Sportvereins. Kein Tennis mehr spielen zu können und keinen direkten Kontakt mit meinen Freunden haben zu dürfen, ist schon doof.
C. (Lehrerin, 46): Ich finde es schön, wie sehr die Leute jetzt aufeinander Acht geben. Trotz des Kontaktverbotes sind die distanzierten und virtuellen Kontakte viel intensiver geworden. Wir haben mehr Zeit für die Familie und die Natur kann auch mal durchatmen. Es wäre wünschenswert, wenn die jetzt im Fokus stehenden Berufe auch nach der Krise eine stärkere Beachtung und Wertschätzung erhalten würden. Wirklich einschränken tut mich das körperliche Kontaktverbot. Ich umarme gern meine Freunde und das geht ja jetzt nicht. Und keine Menschen bei der Arbeit zu treffen ist auch unschön.
Nach dem Genuss dieser kleinen Liste an Kommentaren kann sich ja nun jeder selber überlegen, wie er oder sie diese Fragen beantwortet hätte. Mir sind drei Dinge ganz besonders aufgefallen.
1. Niemand hat sich über finanzielle Auswirkungen oder Belastungen geäußert. Das mag zum Teil bestimmt auch daran liegen, dass um mich herum wenig soziale Härtefälle leben. Allerdings trifft das schon viele und einige davon wirklich hart, z.B. als Filmemacher. Aber andere Dinge sind scheinbar deutlich wichtiger.
2. Der Zugewinn an Zeit mit der Familie scheint für die meisten sehr schön und wichtig zu sein.
3. Körperliche Nähe erscheint vielen sehr wichtig. Mal in den Arm genommen zu werden oder eben einfach direkter Kontakt. Das erschien uns bisher immer so selbstverständlich.
Wenn ich diese drei Hauptpunkte näher betrachte, kann ich dieser Krise auch wieder etwas Positives abgewinnen, obwohl auch für mich die Einschränkungen (Hobbys, Auftritte als Glückscoach) durchaus relevant sind.
Wenn Geld offensichtlich nicht so wichtig ist, dass wir es in der Krise irgendwo oben einordnen, warum richten dann sehr viele von uns ihr Leben danach aus, möglichst viel zu verdienen. Das macht ja offensichtlich keinen Sinn und wir könnten es ändern.
Wenn hingegen mehr Zeit mit der Familie ein sehr wichtiges und positives Thema ist, warum versuchen wir nicht, das dauerhaft zu ermöglichen. Unter Umständen in Kombination mit obigem Thema. Weniger Geld, aber dafür mehr Zeit, könnte ja mal ´ne Idee sein.
Und wenn uns Knuddeln und Drücken und Nähe wichtig sind, dann sollten wir das nach der Krise wieder in vollen Zügen (Achtung Wortspiel) genießen.
Vielleicht können wir das ja wirklich aus der Krise lernen und in einer hoffentlich nicht mehr allzu fernen Zeit nach der Coronakrise in die Tat umsetzen.
Bis dahin bleibt bitte gesund.